Ampelregierung auf Österreichisch – oder Schwarz-Rot-Pink: Vergiftete Zuckerl!

Ampelregierung auf Österreichisch – oder Schwarz-Rot-Pink: Vergiftete Zuckerl!

Die „Zuckerl“-Koalition aus Konservativen, der Sozialdemokratie und Liberalen, hat in der Alpenrepublik zwar einen „Volkskanzler“ Kickl (FPÖ) verhindert. Aber Fakt ist: Sie ist ein vergifteter Drops auf Boden eines faktischen neoliberalen Nenners der Budgetkonsolidierung. Das verweist nachdrücklich auf deren sozialen Klasseninhalt gegen die Arbeits- und Lebensinteressen der breiten Massen.

Die eigentümliche ‚Dialektik‘ der SPÖ

Dabei ist nun doch auch die SPÖ mit im Boot und stellt neben dem Vizekanzler auch den, dazu noch aus der Gewerkschaftsbewegung kommenden, Finanzminister. Nur, was als neoliberale Ausrichtung budgetpolitisch für die konservative ÖVP und die wirtschaftsliberalen NEOS ohnehin klar ist und somit geschenkt werden kann, gilt trotz etwas röter getöntem Mascherl unter dem neuen SPÖ-Vorsitzenden und nunmehrigen sozialdemokratischen Vizekanzler Babler nicht minder für die realexistierende Sozialdemokratie. Diese hat und macht, wie Georg Fülberth jüngst treffend bemerkt hat, immer dann vernünftige Steuervorschläge – in Wahlkämpfen, vor Koalitionsgesprächen und auf begleitenden Parteievents – wenn sie garantiert damit scheitert. Und stellt sie bisweilen selbst den Kanzler, wie mit Franz Vranitzky, Viktor Klima, Alfred Gusenbauer, Werner Faymann oder Christian Kern in Wien, tat sie ebenso das Gegenteil dessen, mit was Sozialdemokratismus bis heute gemeinhin so assoziiert wird: Seien es Steuersenkungen fürs Kapital bei umgekehrt immer stärkerer Verwandlung der Arbeitenden und breiten Bevölkerung in Melkkühe des Fiskus, sei’s durch Sparpakete die uns auch noch zu den Packeseln der Nation downgraden, oder anderem. 

Die Steuerreform im Vorfeld des EU-Beitritts der Alpenrepublik 1993/94 ist so ein Beispiel: Damals wurde in Österreich unter blassroter Federführung die Vermögenssteuer abgeschafft und die Kapitalertragssteuer auf tätigkeitslose Finanzeinkommen (Dividenden, Zinsen, Kurs- und Spekulationsgewinne, …) auf einen Einheitssteuersatz (unabhängig der Höhe der Kapitalerträge) festgesetzt. Mit dieser Steuerbegünstigung der Rentiers- und Finanzeinkommen werden die Vermögenszuwächse der Millionär:innen im Land seither geringer besteuert als die durchschnittlichen Arbeitseinkommen der Lohnabhängigen. Ähnliches gilt ebenso für die schon durch die – ebenfalls unter SPÖ-Patronanz auf den Weg gebrachte – Steuerreform 1989 drastisch abgesenkte Gewinnsteuer für Unternehmen, ergänzt um eine deutliche Senkung des Spitzensteuersatzes. Oder wie in den Budgetkonsolidierungs-Jahren 1996/1997: Damals wurden tiefe Einschnitte in den Sozialstaat vorgenommen – um die ‚Maastricht Kriterien‘ der EU zu erfüllen. Die abermals unter sozialdemokratischem Zepter geführte SPÖ-ÖVP-Koalitionsregierung schnürte damals das bis dahin größte Sparpaket der Zweiten Republik, mit einem Volumen von fast 4% des BIP innerhalb eines Zeitraums von 2 Jahren. 

Um das Gesamtbild prägnant abzurunden: Der oben letztgenannte SPÖ-Kanzler kämpfte seinerseits wiederum noch bis kurz vor seinem Abgang wie ein Löwe (allerdings noch vergeblich) für die Wiedereinführung des 12-Stunden-Tags. Dessen Renaissance im politischen Feld wurde ursprünglich wiederum bereits unter seinem sozialdemokratischen Kanzler-Vorgänger in ein rot-schwarzes Koalitionsabkommen geschraubt.

Schwarz-Rot-Pink: neoliberale Budgetkonsolidierung par excellence ohne jedwede sozialdemokratische Akzente

Aktuell stellt die SPÖ, wie schon mit Lacina und Klima in den ausgeführten Steuerreformen und Budgetkonsolidierungs-Jahren, abermals den Finanzminister – und wieder rollt in einem unfreiwilligen Déjà-vu eine Welle an Sparpaketen auf die Arbeiterklasse und breite Bevölkerungsmehrheit zu. Eine Pikanterie daran ist zweifellos, dass sich die „Zuckerl“-Koalitionär:innen dabei weitgehend umstandslos am bereits paktierten Sparpaket der ihr vorangegangenen blau-schwarzen Koalitionsverhandlungen zwischen der rechtsextremen FPÖ und den Konservativen orientierten. Abschließende darüberhinausgehende letzte Details des Budgets stehen bis zur Budgetrede Mitte Mai noch aus. Dieser Tage wurden im Anschluss an diese ersten milliardenschweren Einschnitte, die schon auf den Weg gebracht wurden, schon einmal weitere abermals milliardenschwere Einschnitte und Zurichtungen im Pensionssystem sowie ein Aussetzen der Inflationsanpassung der Familienbeihilfe, im Klartext: das Ansetzen des Sparstifts auf Kosten der Kinder, bekannt. Denn die Eckpunkte und der Pfad sind im Koalitionsübereinkommen bereits festgegossen. Das Credo lautet abermals: „Sparen, sparen, sparen & den Gürtel enger schnallen“. 

Das neoliberale Dogma der sogenannten „ausgabenseitigen Budgetkonsolidierung“ bleibt damit die basale sozial-reaktionäre Grundlage und das Substrat der schwarz-rot-pinken Budgetkonsolidierung, nominelle rote Schleifchen an der Regierungskoalition hin oder her. Die Staatsfinanzen sind zwar in der Tat zerrüttet, nicht zuletzt auch aufgrund der wahllos mit Geld zugeschütteten Vielfachkrisen, der allerseltenst sozial zielgerichteten Maßnahmen und der kostenintensiven, vielfach zudem sinnfreien Prestigeprojekten. Aber das Mantra der „Budgetkonsolidierung“ durch drastische Ausgabenkürzungen auf Kosten der Massen, ist freilich schlichter Klassenkampf von oben.

Eine hierzu (auch nur) alternative Sanierung über vermögensbezogene Steuern, eine höhere Besteuerung der Konzerngewinne, eine Zurückholung der vielfach eklatanten Corona-Überförderungen der heimischen Unternehmen mit ihren daraus gezogenen Gewinnen auf Staatskosten etc. wurde so aber im Einvernehmen aller Beteiligten bereits im Ansatz vom Tisch gefegt. Die im Wahlkampf noch mit Inbrunst getrommelten Steuervorschläge sind – „das Staatsinteresse vor das Parteiinteresse“ stellend (wie SPÖ-Chef Babler die systematische Unterordnung der Arbeits- und Lebensinteressen der Millionen unter die Interessen der Millionäre und der EU apostrophiert), bereits in sozialdemokratischen Schubladen verräumt. 

Von einer alternativen Budgetkonsolidierung oder auch nur substantiellerer „einnahmenseitigen Stellschrauben“ aus Vermögen und Profiten ist nichts geblieben. Von einer auch bloß ansatzweise erkennbaren eigenen Handschrift oder auch nur Akzenten der Budgetkonsolidierung: Nichts zu sehen. Ja, noch nicht einmal die Rücknahme der jüngsten, neuerlichen Gewinnsteuersenkung durch Schwarz-Grün oder eine Erhöhung der Grundsteuer, die auch für die Finanzierung der klammen Kommunen im Land erforderlich wäre, konnte ‚durchgesetzt‘ werden. Und die wie eine Monstranz vor sich hergetragene, allerdings bereits in den blau-schwarzen Koalitionsverhandlungen virulente, Bankenabgabe ist nicht mehr als ein Obolus aus deren Portokasse und liegt lediglich wieder auf dem Niveau wie nach der Finanzkrise. Und das, obwohl sich die Bank-Profite im Vergleich zur Finanzkrise zwischenzeitlich versiebzehnfacht (!) haben. 

Dabei könnten, wie das gewerkschaftsnahe „Momentum Institut“ gegen diese Sozialabbaupolitik gerade unterstrich „allein eine Reform der Grundsteuer, eine Vermögenssteuer ab einer Million Euro Nettovermögen, eine angemessene Erbschaftssteuer, eine Rückkehr zur früheren Körperschaftsteuer sowie ein temporärer Solidarbeitrag für Spitzenverdiener gemeinsam rund 17 Milliarden Euro jährlich generieren.“

Das Damoklesschwert eines nochmals verschärften Nachlegens

Dabei ist zu Recht strittig, ob die bislang veranschlagten 6,4 Mrd. Euro für heuer und 8,7 Mrd. Euro für nächstes Jahr für den von der Regierung eingeschlagenen Budgetkonsolidierungs-Pfad überhaupt ausreichen sowie als selbstgesteckte Ziele auch im anvisierten Volumen erreicht werden. Nicht nur der österreichische Fiskalrat zweifelt daran. Denn zum einen erweist sich das Budgetdefizit im gefühlten Wochentakt höher als ursprünglich zugrunde gelegt. Andererseits sind die zu lukriierenden Einsparungsvolumina der Rotstift-Maßnahmen, abseits ihrer unsozialen Verfasstheit, fraglich. Entsprechend könnte von Schwarz-Rot-Pink schon bald mit heißen Nadeln ein noch schärferes Sparpaket gestrickt werden. 

Außerdem droht eine Straf- bzw. Kompensationszahlung von konservativ gerechneten 5 Mrd. Euro im Jahr 2030, da Österreich die vereinbarten EU-Klimaziele voraussichtlich verfehlt. Was dann freilich als erneutes „Argument“ für weitere Einsparungen dienen wird. Noch dazu muss die Republik heuer und in den kommenden Jahren eine Reihe zurückliegend noch zu Billigstzinsen aufgenommene Staatskredite zu neuen, höheren Zinssätzen revolvieren (ersetzen, ablösen) – was in der politischen Debatte bisher einfach außenvorgelassen wurde und wird. Um die Kettensäge auch noch in die letzten Verästelungen zu legen, wurde darüber hinaus der ultra-neoliberale Unternehmer „Sepp“ Schellhorn als Austro-Musk installiert. 

„Kanonen statt Butter“

Während wir in der Alpenrepublik also mal wieder auf „harte Zeiten“ eingeschworen werden, werden von den Schreibtischfeldwebel:innen diverser Couleurs in ihrem kriegstrunkenen Wahn andernteils die „Wehr-Etats“ quer durch die EU hingegen in bislang unbekannte, monströse Höhen geschraubt. Auch in Österreich. So soll auch das heimische Heeresbudget schon bis 2027 auf 1,5% des BIP (und damit sogar über den Hochphasen des Kalten Kriegs mit 1,1% liegend) oder rund 6 Mrd. Euro, und bis 2032 überhaupt auf das NATO-Ziel von 2% und damit rund 8 Mrd. Euro emporgedreht werden. Stellt man dies der Rotstiftpolitik der „Zuckerl“-Koalition gegenüber, ist deren Politik zudem als „Kanonen statt Butter“-Politik zu charakterisieren. Zumal über das Heeres-Sonderbudget „Aufbauplan 2032+“ von 2022 nochmals exorbitante knappe 17 Mrd. Euro Sonderbudget mit dazu kommen. 

Um diese Marschrichtung in ein globales Wettrüstens 2.0 auch strikt einzuhalten - und nur dafür, keinesfalls indessen für Ziviles, gar Soziales - wurden jüngst sogar Lockerungen bzw. Ausnahmeklauseln aus den EU-Schuldenregeln ersonnen: also spezifische rüstungs- und militärpolitische Ausnahmen vom ansonsten unantastbar geltenden ‚Maastrichter‘ „Wachstums- und Stabilitätspakt“. (Obschon seit jeher unergründlich ist, was die „Maastrichtisierung“ Europas mit ihren, ohne tragfähiger ökonomischer Begründung festgelegten, Obergrenzen für die Defizite der Staatshaushalte, der Budgetverschuldung und eines Staatsfinanzierungsverbots mit Stabilität und insbesondere Wachstum zu tun hat.)

Diesem Übergang in einen historisch beispiellosen Rüstungs-Tsunami der EU korrespondiert zugleich deren forciertes Hineinsteuern in eine Kriegswirtschaft, das Schmieden einer europäischen „(Kriegs-)Koalition der Willigen“ sowie die entbrannte Debatte um eine ‚Vergemeinschaftung‘ oder breitere ‚Mitverfügung‘ über die britischen und französischen Atomwaffen in der EU. Begleitend bestimmen eine weitere Militarisierung der internationalen Beziehungen und eine „überwunden geglaubte militärische Mentalität“ (Jürgen Habermas) das Geschehen. Auch in und durch das nominell neutrale Österreich.

Entsprechend sind, werden und bleiben, wie schon unter Schwarz-Grün, auch in der Alpenrepublik die Geldschleusen für eine neue Militarisierung in trautem schwarz-rot-pinken „Zuckerl“-Allparteienkonsens hochgedreht und wird die weitere – schon unter SPÖ-Kanzler Christian Kern eingeleitete –, militärpolitische Integration Österreichs in die EU-Militärunion (PESCO/SSZ) vorangetrieben. Galt das NATO-Ziel von 2% des BIP für die Wehr-Etats der Länder des transatlantischen Militärbündnisses vor noch wenigen Jahren selbst in diesen vielfach als hochumstritten, ist es mittlerweile mit schallendem „Hurra!“ in die nationalen Haushalte der NATO-EU-Staaten und ihrem Orbit geschraubt (und mit dem jetzigen Regierungsprogramm, wie betont, nun auch für Österreich paktiert). Stärker noch, ist das 2%-Ziel im Zuge der letzten Jahre bereits zur nunmehrigen Minimalforderung geworden, die nach Kräften noch überschritten werden soll.

Parallel mit dem Vorantreiben der EU-Militärunion („PESCO“), des bis in die Stratosphäre reichenden Raketenschirms „Sky-Shield“ (der entgegen seiner verblendenden öffentlichen Darstellung nicht weniger denn eine Renaissance und nuklearen Paradigmenwechsel hin zur Idee eines führbaren resp. geplanten Atomkriegs bildet), der uferlosen Aufrüstung („ReArm Europe“) und der immer offensiveren globalen Konflikt- und Welt(un)ordnungskriegs-Orientierung, trachtet die EU zugleich sich der Kriegstüchtigkeit willen des bisherigen Konsensprinzip zu entledigen. Unter deutsch-französischer bzw. vorrangig deutscher Führung und Richtlinienkompetenz, soll das Prinzip der Einstimmigkeit in militärpolitischen Fragen und für Militäreinsätze unterlaufen bzw. offiziell entsorgt werden – freilich mit gemeinsamen Verpflichtungen für die imperialistischen Interessen der Union. 

Zur politischen Lage und dem erforderlichen Widerstand von unten, auf den Straßen und in den Betrieben

Umso dramatischer ist es, dass sich der Österreichische Gewerkschaftsbund ÖGB, der sich schon im Windschatten der blau-schwarzen Budgetverhandlungen merklich zurückhaltend und still verhielt, nun personell, wie ein Stück weit institutionell, in die Rotstiftpolitik der Regierung einbinden ließ und lässt. Denn, ob und inwieweit sich die geplante Kürzungspolitik und der Rückbau des Sozialstaates durchsetzt, entscheidet sich am aktiven Widerstand und den Alternativen, die wir den Belastungs- und Sparpaketen sowie weiteren Einschnitten ins soziale Netz entgegensetzen. Dafür bedarf es freilich zugleich eines tiefgreifenden Kurswechsels der Gewerkschaften, die Wiederherstellung ihrer Klassenfunktion und ihre Umwandlung in ein Kampfinstrument der Arbeitenden. Zumal noch im Horizont einer strukturell über die Koalitionsperiode hinaus ausgelegten Konsolidierungspolitik, die selbst noch die nächste Regierungsperiode, sprich: Nachfolgeregierung in 5 Jahren, präjudizieren wird.