IDHF-Initiative für das Wahlrecht: Count Me In

IDHF-Initiative für das Wahlrecht: Count Me In

Wer sind wir?
Wir sind Aktivist:innen der Föderation Demokratischer Rechte in der Schweiz (İDHF). Die İDHF ist eine sozialistische politische Massenorganisation, die seit etwa 20 Jahren in der Schweiz zu akademischen, demokratischen, wirtschaftlichen, kulturellen und migrationspolitischen Themen arbeitet. Die Mehrheit ihrer Mitglieder stammt aus der Türkei und Nordkurdistan.

Was wollen wir?
Wir fordern, dass alle Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig in der Schweiz wohnen – unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus (C, B, F, N, S usw.) – das Recht erhalten, an kommunalen Wahlen teilzunehmen.

Eine kurze Geschichte des Wahlrechts
In den antiken Stadtstaaten, insbesondere in der sogenannten „attischen Demokratie“, war das Wahlrecht ausschließlich freien männlichen Bürgern vorbehalten.

Im Mittelalter war das Wahlrecht in den parlamentarischen Strukturen, die parallel zu den Monarchien in England und Frankreich entstanden, wiederum nur dem männlichen Adel vorbehalten.

In der Neuzeit erlangte die Forderung breiter gesellschaftlicher Schichten nach Freiheit durch die Französische Revolution im 18. Jahrhundert an Dynamik. Im 19. Jahrhundert führten die Kämpfe der Arbeiterbewegung zu einem bedeutenden Fortschritt: In den USA und Europa erhielten auch Männer aus nichtadligen und nicht wohlhabenden Schichten das Wahlrecht. Frauen waren davon allerdings weiterhin ausgeschlossen, und insbesondere Schwarze Männer in den USA konnten ihr gesetzlich verbrieftes Wahlrecht aufgrund faktischer Hürden jahrzehntelang nicht ausüben.

Das Frauenwahlrecht wurde im Laufe eines langen Kampfes im 20. Jahrhundert errungen. Finnland war 1906 das erste europäische Land, das Frauen das Wahlrecht gewährte; die Schweiz folgte als eines der letzten Länder erst im Jahr 1971.

Nach nahezu 200 Jahren Kampf der Unterdrückten ist das Wahlrecht heute ein universell und verfassungsrechtlich anerkanntes Grundrecht. Es gehört zu den zentralen Kriterien zur Beurteilung, ob eine Gesellschaft als demokratisch gilt. Während autoritäre Regime oppositionelle Organisationen mit staatlicher Gewalt unterdrücken und so dieses Recht faktisch außer Kraft setzen, stellt in „demokratischen“ europäischen Ländern das Bürgerrechtsgesetz ein erhebliches Hindernis für die politische Teilhabe der Migrant:innen dar – trotz ihrer zahlenmäßigen Bedeutung in der Gesellschaft.

Die Bedeutung politischer Teilhabe
Demokratie bedeutet im Allgemeinen die Selbstverwaltung des Volkes. Wir sind keine Zugvögel, die im Sommer in der Schweiz verweilen und im Winter wieder fortziehen – wir sind ein Teil dieses Landes. Die große Mehrheit von uns arbeitet, zahlt Steuern, ist verheiratet und hat Kinder, die hier geboren wurden. Es ist also keineswegs übertrieben zu sagen: Die Schweiz ist unser Zuhause. Daher ist es nur natürlich, dass wir ein Mitspracherecht über unsere Gegenwart und Zukunft verlangen. Wir brauchen niemanden, der für uns entscheidet – dies wäre nicht mit einem demokratischen Verständnis vereinbar. Seit dem ersten Tag unseres Aufenthalts in der Schweiz wird von uns Integration gefordert – diese ist jedoch ohne das Recht zur Mitbestimmung oder Zustimmung nicht möglich. Eine Demokratie, in der nicht alle Teile der Gesellschaft repräsentiert sind, ist ein Schritt vor der Autokratie – eine Gefahr, die nicht nur uns, sondern auch der einheimischen arbeitenden Bevölkerung droht.

Warum Teilhabe statt voller politischer Rechte?
Wir möchten klarstellen: Wir lehnen keineswegs die Forderung ab, allen Migrant:innen uneingeschränkt das volle politische Mitspracherecht zu gewähren. Doch unter den aktuellen Bedingungen – in denen rechtspopulistische, migrationsfeindliche Positionen zunehmend Unterstützung finden – erscheint diese Forderung (vorerst) nicht realistisch.

Gleichzeitig bietet das föderale System der Schweiz eine besondere Struktur von unten nach oben. Dadurch gibt es in vielen Bereichen keine einheitlichen Standards – Kantone und sogar Gemeinden haben eigene Regelungen. So haben einige bereits Migrant:innen unter bestimmten Voraussetzungen das kommunale Wahlrecht gewährt:

Neuchâtel
 • Wahlrecht auf kantonaler (Parlamentswahlen) und kommunaler Ebene
 • Voraussetzung: mindestens 5 Jahre Aufenthalt in der Schweiz, 1 Jahr im Kanton

Jura
 • Wahlrecht auf kommunaler Ebene
 • Voraussetzung: mindestens 10 Jahre Aufenthalt in der Schweiz, 1 Jahr im Kanton

Vaud
 • Wahlrecht auf kommunaler Ebene
 • Voraussetzung: über 18 Jahre alt, mindestens 10 Jahre in der Schweiz, 3 Jahre im Kanton

Seit 2020 haben SP, Grüne und GLP auch im Zürcher Gemeinderat entsprechende Initiativen gestartet. Im Mai 2023 wurde der Vorschlag dort mit 82 Ja-, 84 Nein- und 2 Enthaltungen knapp abgelehnt. Im November 2024 wurde ein ähnlicher Antrag im Basler Gemeinderat mit 44 Ja- und 56 Nein-Stimmen ebenfalls abgelehnt. In Bern liegt ein entsprechender Vorschlag vor, jedoch wurde bisher keine Entscheidung getroffen.

Diese Entwicklungen zeigen: In Kantonen mit starkem linken Einfluss und hoher migrantischer Bevölkerung ist bei guter Mobilisierung ein Erfolg durchaus realistisch.

Unser Vorgehen
Wir streben an, mit bestehenden Organisationen, die sich ebenfalls diesem Thema widmen, zusammenzuarbeiten – dies ist für uns eine strategische Zielsetzung. Wir glauben, dass parallele Initiativen verschiedener Gruppen sich nicht schwächen, sondern im Gegenteil gegenseitig stärken. Je breiter die Kampagnen für gleichberechtigte Rechte geführt werden, desto größer wird der gesellschaftliche Druck.

Unser Fahrplan
Unser zentrales Ziel ist es, eine möglichst breite Übereinkunft über die richtige Analyse des Problems und geeignete Maßnahmen zu erreichen. Unser primäres Zielpublikum sind Migrant:innen, die unmittelbar betroffen sind. Darüber hinaus sehen wir es als wichtig an, mit fortschrittlichen, demokratischen und revolutionären lokalen Akteur:innen eine gemeinsame Plattform zu bilden.

Kurzfristig wollen wir das Bewusstsein für unsere Forderung nach Gleichberechtigung in der Bevölkerung stärken und ein entsprechendes Organisationsnetz aufbauen.

Mittelfristig streben wir an, diskriminierende Gesetze durch Druck und Kampagnenarbeit zu verändern.

Ein detaillierter Fahrplan lässt sich zu diesem Zeitpunkt weder demokratisch noch realistisch festlegen. Konkrete Zusammenschlüsse werden im Rahmen demokratischer Prozesse eigene Schritte entwickeln.

Gemeinsam für ein gleichberechtigtes demokratisches Gemeinwesen!
Der Weg ist lang und herausfordernd. Es ist beschämend, dass in der Schweiz des 21. Jahrhunderts – die sich ihrer direkten Demokratie rühmt – etwa 30 % der Bevölkerung über keinerlei politische Rechte verfügen. Dieses post-apartheidähnliche System muss beendet werden. Lasst uns gemeinsam aktiv werden!

Nicht vergessen: Das Wahlrecht ist nicht nur Ausdruck individueller Repräsentation, sondern kollektiver politischer Willensbildung.

Solange wir Migrant:innen dieses Recht nicht haben, bleiben wir eine marginalisierte und entrechtete Masse. Entscheidungen, die uns betreffen, werden ohne uns getroffen: Ausbeutung, Wohnungsnot, diskriminierende Bildungspolitik, ungleiche Sozialleistungen und rassistische Maßnahmen sind die Folge.

Das Wahlrecht ist unsere organisierte Antwort auf diese Ungleichheit – es ist ein politisches Interventionsmittel. Es ist der erste Schritt, unsere Zukunft selbst in die Hand zu nehmen.

Eine Wahl ohne Migrant:innen ist nicht legitim!

Ihr könnt 30 % nicht ignorieren!

COUNT ME IN

Mail : idhf@riseup.net

Telegram : https://t.me/countme_in 

Fotoğraflar

IDHF-Initiative für das Wahlrecht: Count Me In konulu fotoğraflar
IDHF-Initiative für das Wahlrecht: Count Me In konulu fotoğraflar
IDHF-Initiative für das Wahlrecht: Count Me In konulu fotoğraflar
IDHF-Initiative für das Wahlrecht: Count Me In konulu fotoğraflar
IDHF-Initiative für das Wahlrecht: Count Me In konulu fotoğraflar